Magazin FIRST

Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

Magazin Wir HOLZBAUER

Das Mitglieder- und Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz

05/24 Städtische Verdichtung

BAUEN

Städtische Verdichtung durch Aufstockung

Im Zürcher Kreis 3, einem beliebten Wohnquartier rund um den Idaplatz, ist kürzlich ein Mehrfamilienhaus um sechs Wohnungen aufgestockt worden. Gerade in solchen beliebten Innenstadtlagen steht das Thema Verdichtung hoch im Kurs. Eine Bauaufgabe, für die der Holzbau prädestiniert ist.

Text und Interview Susanne Lieber Bilder Claudia Reinert Pläne GLP PAN Architekten AG; Jäggi + Hafter AG

Wo man sich auch umschaut in Zürich, überall wird verdichtet. So auch in der Idastrasse, Hausnummer 19 bis 23. Auf einer Gebäudelänge von rund fünfzig Metern wurde der Wohnraum nach oben hin erweitert. Insgesamt sechs Wohneinheiten – eine eingeschossige Wohnung, fünf Maisonettewohnungen – sitzen nun auf dem Bestandsgebäude. Im Zuge einer Generalsanierung wurde entschieden, das Objekt aufzustocken. Bei der Aufstockung handelt es sich um einen Holzbau in Elementbauweise. Diese ist unschlagbar effizient, da durch den hohen Vorfertigungsgrad der Elemente die Bauzeit vor Ort extrem kurz ist. Der Elementholzbau biete sich zudem bei Bauten mit Schrägdach einfach an, erklärt der Architekt Stephan Kaufmann, der für die Planung verantwortlich zeichnete. Ausgeführt wurde die Dachaufstockung von der Jäggi + Hafter AG aus Regensdorf (ZH), die vor allem im städtischen Kontext in Zürich und Agglomeration baut. Aber nicht nur in Holz. Beim Unternehmen handelt sich um einen Mischbetrieb, der auch im Massivbau tätig ist. Beides hätte schliesslich seine Berechtigung, meint Ruedi Ehrensperger, der seit 2020 Geschäftsführer des Unternehmens ist. Entscheidend sei, für das jeweilige Projekt und den jeweiligen Ort die optimale Konstruktion und Bauweise zu wählen.


Abgebunden und zugeschnitten wurde das Holz für die Aufstockung bei Partnerbetrieben, die über entsprechende Abbundanlagen verfügen. Der Elementbau selbst erfolgte im Werk der Jäggi + Hafter AG in Volketswil, wo die vorgefertigten Wand-, Decken- und Dachelemente auf Pritschen geladen, eingeschweisst und zum Transportunternehmen verfrachtet wurden. Von dort aus ging es dann zur Baustelle. Vor der Montage in der Idastrasse musste zunächst der bestehende Dachstock, der als Estrich genutzt wurde, abgebrochen und mit Dachpappe vor der Witterung geschützt werden. Dann wurden die Treppenhäuser hochgezogen, Liftschächte gebaut und Brandmauern erstellt. Letztere in Massivbauweise. Dazu sagt Ruedi Ehrensperger: «Brandmauern kann man zwar auch in Holz fertigen, aber das braucht so viele Materialschichten und Kapselungen, das ergab hier einfach keinen Sinn.» Zudem sei es eine relativ teure Angelegenheit. Letztlich käme es aber auch auf den Bauingenieur an.


Die Logistik mit den riesigen Holzbauelementen war nicht ganz einfach. Die Firstpfetten beispielsweise waren stolze 16 Meter lang. Doch die Aufrichte verlief reibungslos. Innerhalb von neun Tagen standen die beiden neuen Dachgeschosse. Weitaus länger dauerte hingegen die Planungsphase des Aufstockungsprojekts. Bis alle Installationen der einzelnen Gewerke geplant und freigegeben waren, brauchte es eine Menge Zeit. Überhaupt sei inzwischen der Planungsaufwand solcher Projekte sehr hoch, meint Ruedi Ehrensperger. «Und im Vergleich zu anderen Planenden verkaufen wir Holzbauer diese Leistung leider oft zu günstig», wendet er selbstkritisch ein. Natürlich auch deshalb, weil sich die Unternehmen davon erhoffen, den Auftrag für den Holzbau zu erhalten. Am Ende ist es eben eine Mischkalkulation, die in der Gesamtschau stimmen muss.


Wann die ersten Mieter in der Idastrasse einziehen können, ist noch nicht ganz klar. Aber die Resonanz auf die ersten Wohnungsbesichtigungen war riesig. Rund 200 Interessierte waren gekommen, was einmal mehr zeigt: Die Stadt braucht dringend Wohnraum.

 

«Die Tendenz geht in Richtung Verdichtung»



Herr Ehrensperger, was sind bei einer Gebäudeaufstockung wie Ihrem aktuellen Projekt in Zürich (Idastrasse) die besonderen Herausforderungen?
Ruedi Ehrensperger: In einer solchen innerstädtischen Lage ist wenig Platz. Die Logistik wird dadurch erschwert, zumal für den Kran Strassen gesperrt werden müssen. Ausserdem sind die Häuser auch oft noch bewohnt, wenn die Aufstockung nicht im Zuge einer Generalsanierung erfolgt.

In der Regel müssen Gebäude bei einer Aufstockung ertüchtigt werden. Um welche Massnahmen handelt es sich dabei genau?
Das muss der jeweilige Ingenieur beurteilen. Zum Teil wird das Fundament verstärkt, zum Teil wird aber auch die Statik anderweitig unterstützt – beispielsweise mit Stahlträgern oder auch mit sogenannten Klebelamellen (Anm. d. Red.: dünne, carbonfaserverstärkte Lamellen, die mit Spezialkleber an der Decke befestigt werden). Aber wie gesagt, die statischen Massnahmen sind Aufgabe des Bauingenieurs.

Bauprojekte im Bereich Aufstockung und Verdichtung sind ein Spezialgebiet Ihres Unternehmens. Wo sind Sie hauptsächlich tätig?

Im Grossraum Zürich und in der Agglomeration. Wobei wir natürlich auch Projekte in anderen Städten und auf dem Land abwickeln.

Das Thema Verdichtung wird in der Stadt immer wichtiger. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf, um entsprechende Bauprojekte voranzutreiben?

Die Bewilligungsverfahren müssten erleichtert werden – und zwar auf allen politischen Ebenen: von Stadt, Kanton und Bund. Es werden sehr viele Nachweise gefordert, und das verzögert die Bauvorhaben. Auch die Einspruchsmöglichkeiten erschweren solche Projekte.

Ist das Ihrer Meinung nach auch der Grund, warum viele Gebäude stattdessen lieber abgebrochen werden?

Es ist sicherlich einer der Gründe. Aber letztlich geht es auch immer um die Frage der Kosten und der Finanzierbarkeit.

Wird Ihrer Meinung nach zu viel abgebrochen?

Das ist eine schwierige Frage. Generell sollte aufgrund der Nachhaltigkeit und der Einsparung von grauer Energie weniger abgebrochen werden. Das ist auch Thema im Verband der Baugenossenschaften «Wohnen Schweiz», bei dem wir Silberpartner sind. Zudem sind wir Mitglied von vier grösseren Unternehmer-Baugenossenschaften im Raum Zürich. Durch die Baugenossenschaften wird der preisgünstige Wohnungsbau gefördert. Grundsätzlich lässt sich schon beobachten, dass die Tendenz in Richtung Verdichtung geht. Zumal das durch die politischen Vorgaben der Stadt Zürich unterstützt wird.

Aufstockungen gehen oft einher mit Generalsanierungen. Und diese werden gerne genutzt, um Häuser zu «entmieten» und später höhere Mieten verlangen zu können. Wie sehen Sie das?

Wir sehen schon auch, dass es für die Mittelschicht immer schwieriger wird, diese teure(re)n Mieten zu bezahlen. Dieser Entwicklung können wir fast nur in Baugenossenschaften entgegenwirken. Dort haben wir durch die Vorgabe der Stadt plafonierte Mietzinsen, die sich beispielsweise auch Rentner und Einzelpersonen leisten können.

Sie sagen, dass die Verteuerung bei Aufstockungsprojekten wie in der Idastrasse nicht nur daran liegt, dass oft Investoren dahinterstehen, sondern dass es auch an der Gesetzgebung liegt. Inwiefern?

Es gibt in Zürich sehr viele Vorschriften – was Bauabstände angeht, Mindestquadratmeter, zulässige Gebäudeflächen. Wenn man gesetzlich mehr zulassen würde, könnte man vielleicht auch wirtschaftlicher bauen. Zudem gibt es sehr viele verschiedene Ämter in Zürich – und die Koordination unter ihnen ist schwierig. Keiner will von seinen Vorschriften und Forderungen zurücktreten. Darin sehe ich die grösste Hürde, Bauprojekte wie Aufstockungen zu erleichtern.


Die Ämter blockieren sich also gegenseitig?

Meines Erachtens schon. Man redet beispielsweise von Photovoltaik auf den
Dächern, aber dann kommt die Denkmalpflege und verhindert das Ganze – oder der Ortsbildschutz legt Veto ein. Dieser schreibt genau vor, wie viele Lukarnen und Fensterflächen man in einer Quartierzone setzen darf. Aber am Ende kann man niemandem einen Vorwurf machen. Das Bauen ist einfach wahnsinnig komplex geworden, und mit dem Bürokratieabbau geht es nicht so schnell voran, wie sich die Politik das vielleicht wünschen würde. Es müsste ein übergeordnetes Gesetz geben, das Prioritäten bei den Bauvorschriften festlegt.

Die Jäggi?+?Hafter AG ist ein Mischbetrieb. Neben dem Holzbau zählt auch der Massivbau zu den Tätigkeitsfeldern des Unternehmens. Wann kommt was zum Zuge?

Mir ist wichtig, für ein Projekt jeweils den passenden Baustoff am richtigen Ort zu verwenden. Die Entscheidung muss unter verschiedenen Gesichtspunkten wie beispielsweise der Statik getroffen werden. Je nachdem entstehen dann Holzbauten, Massivbauten oder eine Kombination aus beidem, also Hybridbauten. Am Ende muss das Ganze natürlich auch wirtschaftlich sinnvoll sein.


Jäggi + Hafter AG

Gegründet wurde die Jäggi + Hafter AG 1948 von Martin Hafter und Albert Jäggi in Zürich. 1963 folgte eine Zweigniederlassung in Regensdorf. Vor vier Jahren übernahm Ruedi Ehrensperger die Geschäftsführung des Unternehmens, bei dem er bereits seit 1992 arbeitet, bisher als Bauführer und Bereichsleiter. Zu den Tätigkeitsfeldern der Jäggi + Hafter AG gehört nicht nur der Holzbau, sondern auch der Massivbau, der Umbau, Kundenarbeiten sowie Arbeiten im Bereich Gussasphalt. Insgesamt sind 150 Mitarbeitende im Unternehmen tätig, 30 davon im Holzbau. Ruedi Ehrensperger engagiert sich darüber hinaus seit 1999 als Vorstand und seit 2014 als Präsident der Sektion Holzbau Schweiz Stadt Zürich. jaeggihafter.ch


Aufstockung Mehrfamilienhaus

Projekt: Aufstockung MFH Idastrasse, Zürich
Fertigstellung: 2024
Bauherrschaft: Zimag Immobilien AG, Zürich
Architektur: GLP PAN Architekten AG, Zürich
Holzbauingenieur: Christian Keiser, Gossau (SG)
Holzbau: Jäggi + Hafter AG, Regensdorf (ZH); Projektleitung: Christian Zumstein
Konstruktion/Tragwerk: Holzelementbauweise in Fichte/Tanne
(beplankt mit Gipsplatten)
Geschossfläche (insgesamt): 2610 m2
Gebäudevolumen (Aufstockung): 10 800 m3
Baukosten (Holzbau): CHF 830 000