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07/24 Boxenstopp

BAUEN

Spuren der Vergangenheit

Das Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert stand seit Jahren leer und drohte abgerissen zu werden – bis sich die Stiftung Baustelle Denkmal des Projekts annahm. Jetzt ist das über 500 Jahre alte Heidehüs im Goms im Oberwallis für die kommenden Jahrzehnte gesichert.

Text und Bilder Dorothee Bauland

 

Das Heidehüs steht im historischen Kern von Steinhaus, einem kleinen Weiler in Ernen (VS). Es wurde im Jahr 1487 gebaut und ist auch heute noch für das Ortsbild äusserst prägend. Im Buch «Kunstdenkmäler des Kantons Wallis, Band 2» wird es als wohlproportioniertes Wohnhaus mit einer für die Region und die Bauzeit charakteristischen Ständerkonstruktion im Giebelfeld, dem «Heidechriz», beschrieben.


Wer das mehr als 500 Jahre alte und nun renovierte Haus betritt, kann sich gut vorstellen, wie hier einst gewohnt wurde. Luxus gab es damals keinen und heute beschränken sich die wenigen Annehmlichkeiten auf Strom und fliessendes Wasser. Es gibt jetzt ein einfaches Abwaschbecken, ein kleines mobiles Zweierkochfeld und eine eingebaute Nasszelle mit Dusche und WC. Die Böden sind so schief und abgenutzt wie eh und je. Durch die Ritzen im Schlafraum zieht es, eine Dämmung gibt es nicht, und wer es warm möchte, muss den Kachelofen in der Stube anheizen.


Fünf Jahre Sanierung mit Freiwilligen

«Sofortige Massnahmen sind notwendig», vermerkte Klaus Troger, Architekt der Denkmalpflege Kanton Wallis, in seinen Unterlagen, als er das leer stehende Wohnhaus im Jahr 2012 erstmals in Augenschein nahm. Als er den Bau 2018 ein zweites Mal inspizierte, war noch nichts dergleichen passiert und substanzerhaltende Massnahmen wurden noch dringlicher. Die Gemeinde Ernen zog gar einen Abriss in Erwägung, doch dieser konnte zum Glück verhindert werden. Weil der Bau auf die Rote Liste des Schweizer Heimatschutzes gesetzt wurde, nahm sich die Stiftung Baustelle Denkmal des Projekts an. Im Oktober 2019 war zunächst eine Gruppe Zivildienstleistender am Gebäude im Einsatz, um die dringlichsten Sicherungsmassnahmen durchzuführen und das Haus über den Winter vor weiterem Zerfall zu schützen.

Dielbaum und Lärchenschindeln
Im Sommer 2020 fand dann der erste Einsatz mit freiwilligen Helferinnen und Helfern statt. Es wurden Teile des historischen Mauerwerks instand gestellt und Bauforschungsarbeiten ausgeführt. Im darauffolgenden Jahr standen die Arbeiten am Strickbau, an der Dachkonstruktion und am Schindeldach im Fokus. Mit Unterstützung einiger erfahrener Zimmerleute und Dank vieler helfender Hände konnte der Dielbaum – ein zentraler Träger – wie anno dazumal von Hand aus einem Rundholz in die richtigen Dimensionen gebracht und schliesslich eingesetzt werden. Auch die Schindeln aus Gommer Lärche wurden von den Freiwilligen unter fachkundiger Anleitung selbst hergestellt. Bis die Arbeiten am Mauerwerk und am Strickbau abgeschlossen werden konnten, ging noch ein weiterer Sommer ins Land. Vor allem die Instandstellung des Schindeldaches sichert die wertvolle geschichtsträchtige Substanz für viele weitere Jahre. Zuletzt wurden die Arbeiten im Innern des Heidehüs fortgeführt: Die historischen Decken und Böden konnten ausgebessert, Fenster repariert, Mauersockel und Kamin verputzt sowie das alte Täfer wieder eingebaut werden. Seit 2023 steht das Heidehüs unter kantonalem Schutz.


Sommerunterkunft für Zivildienstleistende

Weil das Heidehüs im Rahmen der sanften Sanierung weder energetisch ertüchtigt noch für zeitgemässe Wohnzwecke umgebaut wurde, ist eine Nutzung als Wohn- oder Ferienhaus nicht möglich. Philipp Maurer, Geschäftsführer der Stiftung Baustelle Denkmal, will es jedoch nicht ungenutzt lassen. «Das Heidehüs soll künftig als Sommerunterkunft für die Zivildienstleistenden und Helfenden dienen, die zwecks weiterer Arbeitseinsätze ins Walliser Binntal reisen», erklärte er anlässlich der Abschluss- und Einweihungsfeier im August dieses Jahres. Ab 2025 werden in Zusammenarbeit mit dem Landschaftspark Binntal besonders wertvolle Ställe und Stadel instand gestellt und so wird ein weiterer Beitrag an den Erhalt der hochwertigen Kulturlandschaft geleistet.

Stiftung Baustelle Denkmal

Viele erhaltenswerte Bauten fristen ihr Dasein vollkommen ausserhalb des funktionierenden Immobilienmarkts. Entweder ist keine ertragsbringende Nutzung möglich oder die Anfangsinvestitionen sind zu hoch. Um solche Objekte fachgerecht instand zu setzen, ist Arbeit genauso wertvoll wie Geld. Die Stiftung Baustelle Denkmal vermittelt freiwillige Arbeitskräfte für Einsätze zur Pflege und Erhaltung von Baudenkmälern. Sie sorgt für reibungslose Organisation und Administration der Einsätze. Wer mitarbeitet, profitiert von sinnstiftender Arbeit und lernt neue Dinge kennen. Mehr als 30 Projekte in der ganzen Schweiz wurden so schon vor dem Verfall gerettet, unter anderem Feldscheunen in Basel-Landschaft, ein Rustico und ein Palazzo im Tessin, ein Maiensäss und eine alte Säge in Graubünden, eine Burgruine im Sanktgallischen, ein Kornspeicher im Kanton Luzern und ein Gehöft im Kanton Schaffhausen. baustelle-denkmal.ch


HEIDEHÜS

Projekt: Instandstellung Wohnhaus, Steinhaus (VS)
Bauherrschaft: Gemeinde Ernen (VS)
Projektleitung: Stiftung Baustelle Denkmal
Baujahr: 1487
Sanierung: 2019–2024 mit rund 1200 Arbeitstagen 
Bauleistung: Zivildienstleistende und über 100 freiwillige Helfer
Kosten: CHF 550 000.– (inkl. Wert der Eigenleistungen der Freiwilligen)