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02/25 Holz auf Stein

BAUEN

Holz in Stein gebettet

Der Eintritt zum Natur- und Tierpark Goldau (SZ) zwischen Rigi Hochflue und dem Zugersee ist komplett erneuert worden. Drei Neubauten mit unterschiedlichen Funktionen bilden ein Ensemble: geprägt von Holz, gebettet in Stein. Die Schmidlin Holzbau AG aus Steinen hat die Holzbauarbeiten des Verwaltungsgebäudes realisiert.

Text Sue Lüthi Bilder Zürrer Fotografie, Markus Lamprecht Pläne Marty Architektur AG, Schmidlin Holzbau AG

 

Den Eingang zum Natur- und Tierpark Goldau markiert seit letztem Jahr das eingeschossige Besucherzentrum mit seiner auffälligen Dachform (siehe auch «FIRST» 1.25). Wer dort zur Arbeit ins Verwaltungsgebäude möchte, begibt sich rechts davon durch die Drehtür zum Empfang. Der dreigeschossige Quader ist das Revier für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Natur- und Tierparks Goldau. Das Erdgeschoss verbindet den Verwaltungsbau mit einem benachbarten Wohnhaus, hinter dem eine private Trägerschaft steht. Im Verbindungsteil ist für die Besucherinnen und Besucher des Parks ein Shop eingerichtet, der auch zum Restaurant führt. Darüber türmen sich sechs Wohngeschosse treppenförmig auf.


Die Marty Architektur AG aus Schwyz hat beim Entwurf der Eintrittssituation die Formen und Materialien der Natur aufgenommen, denn der Natur- und Tierpark Goldau liegt auf den Trümmern eines gewaltigen Bergsturzes. Am 2. September 1806 hatte sich nach einer längeren Regenperiode am Rossberg (1568 m ü.M.) – gleich gegenüber der Rigi – ein bis zu fünfzig Meter dickes Nagelfluhpaket gelöst. Es donnerte innerhalb dreier Minuten über mehr als 1000 Höhenmeter zu Tal. Hausgrosse Nagelfluhblöcke, Steine, Erde und Bäume begruben die Dörfer Röthen, Busingen und Goldau unter sich. 457 Personen starben, zahlreiche Häuser wurden zerstört.


Geschichte, Holz, Stein, Pflanzen und Abbildungen von Tieren sind in den Gebäuden verarbeitet. Zudem war der Stiftung Natur- und Tierpark Goldau die Nachhaltigkeit ein grosses Anliegen, Schweizer Holz eine Bedingung, Unternehmen aus der Region eine Selbstverständlichkeit.


Drei Bauten, drei Holzbauunternehmer

Die Holzbauarbeiten der drei Baukörper wurden an drei Unternehmen vergeben. Die Schmidlin Holzbau AG aus Steinen (SZ) erhielt den Zuschlag für das Verwaltungsgebäude. Es umfasst ein Untergeschoss und drei Geschosse über Terrain. Das Unter- und das Erdgeschoss sowie der Erschliessungskern sind betoniert – wo möglich mit Recyclingbeton ausgeführt. Das restliche Gebäudevolumen wurde komplett in Holzbauweise umgesetzt. Es handelt sich dabei um eine Holzskelettkonstruktion mit Hohlkastendecken. Die Innenwände sind nicht tragend, um eine flexible Raumgestaltung zu gewährleisten. Im Erdgeschoss sind vor allem die Räume für die Parkranger eingerichtet, wo diese sich umziehen, für Führungen vorbereiten oder auch Studien durchführen können. Im ersten Obergeschoss liegen der Fassade entlang die Büros und im zweiten Obergeschoss sind Sitzungszimmer und ein Pausenraum mit Teeküche untergebracht. Die Lamellen sind ausserhalb der Fensterebene fix montiert, auch dort, wo sich die Fensterebene zurückzieht und einen Balkon bildet. Die Raumgestaltung im Innern ist ruhig, geprägt von den fugenlosen Blockholzflächen, dem rohen Beton und dem Epoxidbodenbelag.


Thomas Schmidlin, Geschäftsführer der Schmidlin Holzbau AG, erzählt nachfolgend von den Arbeiten, die letzten Herbst fertiggestellt wurden.


Thomas Schmidlin, wie kommt ein Unternehmen zu solch einem Auftrag von halböffentlichem Interesse und architektonischem Prestige?

Thomas Schmidlin: Wir wurden von der Bauherrschaft zur Offertstellung eingeladen und haben den Zuschlag erhalten. Die Bauherrschaft hatte strenge Vorgaben definiert: Schweizer Holz, zertifiziert, und eine hohe Nachhaltigkeit. Das bedeutete, regionales Material verwenden und regionale Unternehmen berücksichtigen.

Welche Arbeiten am Verwaltungsgebäude hat die Schmidlin Holzbau AG ausgeführt?

Wir haben den gesamten Holzbauauftrag ausgeführt, das heisst die Konstruktion, die Fassade und auch Teile des Innenausbaus. Die beiden oberen Geschosse sind komplette Holzbauten: die Wände, die Böden, die Decken und natürlich die spezielle Fassade. Die Lamellen, die rund um die beiden oberen Geschosse laufen, sind sehr gross in den Dimensionen. Mit einem Querschnitt von 60 Millimetern mal 280 Millimetern können wir schon beinahe von Balken reden. Allein mit diesen 35 Kubikmetern Lärchenholz, die an der Fassade verbaut sind, könnte man ein grosses Haus bauen.

Wie ist die Fassade behandelt?

Das Holz ist unbehandelt, es ist Schweizer Lärche und die Beschaffung war nicht ganz einfach. Eine Aargauer Sägerei konnte das Material organisieren und die Firma Fagus Suisse hat sie zu den gewünschten Lamellen verleimt: Schweizer Wald, Schweizer Sägerei, Schweizer Leimwerk.

Warum war die Beschaffung des Lärchenholzes so schwierig?

Zum einen gibt es in der Schweiz wenig Lärchen und die Qualität ist nicht so hoch wie diejenige der Nordischen oder Sibirischen Lärche. Schweizer Lärchen sind astiger und nicht so feinjährig, sie wachsen schneller auf unseren Böden als im kargen nordischen Klima. Zudem ist die Lärche ein Bergbaum, das ergibt Herausforderungen bei der Ernte. Zusätzlich war Schweizer Holz gerade sehr begehrt, weil durch den Krieg der ausländische Holzmarkt ausgetrocknet war. Doch die Bauherrschaft als schweizerische und halböffentliche Institution wünschte explizit Schweizer Holz, Lärche oder Douglasie.

Wie war das Vorgehen beim Bau? War eine Vorfabrikation möglich?

Der Holzelementbau verlief ganz klassisch. Wir haben natürlich möglichst viel vorfabriziert, insgesamt dauerten diese Arbeiten rund neun Wochen. Auch die Schuler-Blockholzplatten mit den sichtbaren und fertigen Oberflächen haben wir im Werk befestigt. So konnten wir das ganze Paket als fertiges Fassadenelement montieren. Die Lamellen folgten später. Sie stehen stirnseitig auf einem runden Eisenstab und sind oben verschraubt. Wir haben Lamelle für Lamelle einzeln eingesetzt. Die Positionen und Winkel waren vom Architekturbüro vorgegeben. Jedes Holz war im Werk genau nach Vorgabe eingeschnitten und nummeriert worden. So hat jede Lamelle genau ihren Platz. Das ist eine gängige Befestigung, oben folgt ein Abschlussholz mit Gefälle, eingefasst in ein Blech, das den Brandabschnitt definiert und als Wetterschutz dient. Das Ungewöhnliche sind die Dimensionen der Lamellen.


Was war an diesem Projekt besonders?

Zum einen ist die Verarbeitung von sichtbaren Oberflächen eine schöne Herausforderung und eine, mit der wir viel Erfahrung haben. Die Montage von fixfertigen Elementen braucht schon etwas Know-how. Man hat nur eine einzige Chance, sie sauber zu versetzen. Die edlen Blockholzplatten, die die gesamten Wandflächen in den Innenräumen bekleiden, so zu montieren, dass man keine Befestigung sieht, ist für uns schöne Arbeit. Es bereitet uns Holzbauern natürlich Freude, wenn Holz sichtbar bleibt. Eine weitere Motivation war der Ort und das Projekt als Ganzes: Es macht uns stolz, ein Teil dieser innovativen Tierparkgeschichte zu sein. Der Natur- und Tierpark Goldau ist eine halböffentliche Institution, wir können die Anlage jederzeit besuchen, und wir kennen viele Beteiligte aus der Umgebung.

Bei diesem Projekt waren noch zwei weitere Holzbauunternehmen involviert. Wie ist die gegenseitige Wahrnehmung?

In der Zentralschweiz haben wir generell ein gutes Klima mit einer grossen Akzeptanz. Mit Firmen, die Projekte von dieser Grösse und Qualität bewältigen können und die sich auch engagieren – zum Beispiel im Verband –, haben wir einen guten Kontakt. Bei diesem Projekt akzeptierte jedes Unternehmen, dass eine Aufteilung sinnvoll ist. Berührungspunkte gab es fast keine, da die drei Bauten zeitlich versetzt erstellt wurden. Da unser Gebäude im Hintergrund steht, waren wir mit der Aufrichte zuerst an der Reihe und nach vier Wochen bereits fertig. Der Innenausbau nahm danach noch etwa 14 Wochen in Anspruch. Die drei Gebäude stehen für sich – mit dem Vorteil, dass der gleiche Architekt, die gleiche Bauleitung und der gleiche Holzbauingenieur zuständig waren. Dort liefen die Fäden zusammen. Das Klima unter den Betrieben ist gut, bei grösseren Aufgaben bilden wir Arbeitsgemeinschaften und helfen einander aus. Wir sind auch offen, uns gegenseitig bei Lösungen zu unterstützen. Das gefällt mir an unserer Branche, wir haben das Gesamte im Fokus!


 

 

Schmidlin Holzbau AG

Thomas Schmidlin (55) führt die Schmidlin Holzbau AG seit 20 Jahren. Er lernte zunächst Zimmermann, bildete sich dann weiter und übernahm das Unter­nehmen von seinen Eltern, welche die Zimmerei 1976 in Steinen (SZ) gegründet hatten. Im Jahr 1994 entstand daraus die Schmidlin Generalunternehmung AG, eine Planungs- und Bauleitungsfirma, die gesamtheitliche Lösungen im Objektbau anbietet. Robert Schmidlin erwarb schon frühzeitig in Steinen Gewerbeland für den Betrieb und entwickelte auch das Ligno Swiss System. Heute besteht das Unternehmen aus den drei Firmen Holzbau, Bauplanung und Fachplanung. So können auch Ingenieurleistungen angeboten werden. Insgesamt sind rund 80 Mitarbeitende bei der Schmidlin Holzbau AG beschäftigt, 66 davon im Holzbau und total 14 Lernende. holzhaus-schmidlin.ch