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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

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01/25 Sanieren mit Struktur

BEWEGEN

Hauptstadt der Hölzigen

Jeweils Anfang Dezember wird die Tiroler Landeshauptstadt für drei Tage zum Zentrum der Hölzigen. So auch zum Jahresende 2024, als fast 3000 Zimmerleute ans 28. Internationale Holzbau Forum nach Innsbruck kamen, um sich über die Herausforderungen und Entwicklungen ihrer Branche auszutauschen.

Text Dorothee Bauland, Sue Lüthi Bilder DB, Herzog & de Meuron, Calvi Etudes Structures

Potenziale des Holzbaus

Den Auftakt zum dreitägigen Internationalen Holzbau Forum machen traditionell Vorträge zur Einordnung der wirtschaftlichen Situation im D-A-CH-Raum, bevor es anschliessend in verschiedenen Vortragssälen um Spezifika des Holzbaus geht. Auf die Entwicklung der Baukonjunktur ging Vortragsredner Martin Langen von der B+L Marktdaten GmbH aus Bonn ein. «Die Zeit der Preisrückgänge ist zu Ende», ordnete er die konjunkturelle Situation in Deutschland und Österreich ein, die sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich schwieriger gestaltete als in der Schweiz. «Die Immobilienpreise steigen wieder – und das bringt auch den Renovationsmarkt wieder in Gange.» Er motivierte die Hölzigen, als Generalunternehmen (GU) aufzutreten, denn «insbesondere Holzbauten werden wegen ihrer Komplexität zunehmend an GU vergeben.» Das serielle Bauen mit Holz wird gemäss seiner Einschätzung ein Nischenmarkt bleiben, weil dafür schlichtweg die Baulandreserven fehlen würden. «Anders zu denken als in der Vergangenheit, ist alternativlos», meinte nachfolgend Referent Roland Sitzberger von der Porsche Consulting GmbH aus Stuttgart zur Zukunft im Holzbau, «denn im System der Vergangenheit werden wir die Probleme nicht lösen.» Ein Wachstum trotz Krise machte Peter Aicher, Präsident Timber Construction Europe (TCE), aus. Er moderierte den von TCE organisierten Vortragsblock zum Thema Holzhausbau. «Trotz Baukrise in Deutschland haben wir im Holzbau eine gute Beschäftigungslage», freute er sich. Die Sanierungspotenziale im D-A-CH-Raum lotete nachfolgend Julia Selberherr von der Wüest Partner AG aus Zürich aus. Sie sieht für serielle Sanierungen, Aufstockungen und Anbauten in Holzbauweise einen grossen Markt mit einem hohen Zukunftspotenzial. Bauen auf der grünen Wiese sei hingegen kaum noch möglich. Auf die allgemeine europäische Wirtschaftslage ging Vortragsredner Thomas Obst vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.?V. am zweiten Kongresstag ein. «Deutschland ist das Problemkind der Eurozone, dort gibt es eine grosse Investitionskrise», sagte er zur aktuell schwierigen Wirtschaftslage des Landes. In den übrigen europäischen Ländern sähe die Situation besser aus, in der Schweiz gäbe es gar wirtschaftliches Wachstum und die Staatsverschuldung sei dort gesunken. Aktuell seien die Lohnstückkosten in Deutschland und Österreich hoch und in der Schweiz vergleichsweise niedrig. Mit einem Blick in die nahe Zukunft fragte Thomas Obst: «Was bedeuten höhere US-Zölle unter Präsident Donald Trump? Und was passiert, wenn die EU zurückschlägt und ihrerseits die Zölle erhöht?» Sein Fazit: «Wir müssen damit umgehen lernen, dass es eine geopolitische Neuordnung gibt. Und das bedeutet für alle Mehrkosten.»

 

 

 

Teilnehmerrekord

Seit 30 Jahren schon lädt Forum Holzbau die Branche zum Internationalen Holzbau Forum (IHF). Die 28. Ausgabe des IHF wurde im Dezember 2024 in Innsbruck (AT) durchgeführt. Einmal mehr wurde ein neuer Besucherrekord aufgestellt: 2900 Teilnehmende aus 40 Nationen waren zugegen. Rund 1400 der Teilnehmenden kamen aus Deutschland, 580 aus Österreich, 470 aus der Schweiz und etwa 90 aus Italien. Weitere rund 360 Teilnehmende verteilten sich auf die übrigen Nationen. Auch die Anzahl der Aussteller lag mit gut 200 auf einem Rekordhoch. Der grosse Erfolg, so Geschäftsführer Uwe Germerott in der Pressekonferenz, bringe den «neuen» Veranstaltungsort Congress Innsbruck, der 2019 das langjährig genutzte Kongresszentrum in Garmisch-Partenkirchen (DE) ablöste, schon bald wieder an seine Grenzen. Aber nicht nur das IHF wächst kontinuierlich, auch das Kongressportfolio von Forum Holzbau wurde im Laufe der vergangenen Jahre ausgeweitet. Aktuell gibt es 14 Veranstaltungen in Europa, die einerseits als Spezialkongresse und anderseits als Länderkongresse durchgeführt werden. Nächstes Jahr soll ein Kongress in Kanada folgen. Die Gesamtzahl der Teilnehmenden ist im Laufe der vergangenen 30 Jahre von 90 auf 9000 im Jahr gestiegen. Ein guter Grund, sich um die Zukunft von Forum Holzbau Gedanken zu machen: Soll es wie bisher als Verein mit Industrieträgerschaft?/?Beirat weitergehen oder als AG mit Beteiligungen? Gibt es künftig eine Stiftung für alle Aktivitäten und wie sieht es mit der Nachfolgeregelung aus? Diesen Fragen wird sich Forum Holzbau gemäss Geschäftsführer Uwe Germerott in naher Zukunft stellen.

 

Ein fortwährender Prozess

Das Bürogebäude Hortus in Allschwil (BL), entworfen vom Architekturbüro Herzog & de Meuron, versteht sich als ein Zeichen für die Architekturbranche. Vorgestellt wurde es am IHF von Alexander Franz, Architekt bei Herzog & de Meuron. Mit dem Bau nimmt das Basler Architekturbüro auch im klimaneutralen Bauen eine Vorbildfunktion ein. Die Betrachtung des Projekts als tiefgehenden fortwährenden Prozess – und nicht nur der Einsatz ökologischer Bauprinzipien – sei eine architektonische Herausforderung. Es gehe darum, für jede individuelle Situation den bestmöglichen Ansatz zu finden. Dies erfordert ein hohes Mass an Innovation und lösungsorientiertem Design, massgeschneidert für den jeweiligen städtebaulichen, geografischen und kulturellen Kontext. Am Beispiel von Hortus soll gezeigt werden, dass Zukunftsarchitektur ästhetisch und nützlich sein kann für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. Das Gebäude erschliesst sich über einen breiten Durchgang in das grüne Atrium, das Herz des Projekts. Über einen Laubengang hin öffnen sich im Erdgeschoss öffentlich nutzbare Räume. Von hier aus erreicht man die ringförmig angelegten, rund 10?000 Quadratmeter Büronutzflächen in den Obergeschossen. Ganz im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips sollen alle verwendeten Bauteile katalogisiert und im ökologischen Kreislaufsystem für eine Wiederverwertung zur Verfügung stehen. Eine reduzierte Palette an erneuerbaren Materialien wie Holz, Lehm und Zellulose, sowie Glas für Fenster und Solarpaneele unterstreichen den ökologischen Grundgedanken des mehrgeschossigen Holzrahmenbaus. Das Stützenraster misst 2,80 Meter auf 5,60 Meter; statt Metall- wurden Holzverbindungen gesteckt, die am Ende der Nutzungszeit leicht demontier sind und den Holzbau wiederverwertbar machen. Der Stampflehm an Decken und Brüstungen sorgt für ein behagliches und gesundes Raumklima.

 

 

Highlight

Am 15. April 2019 frassen sich die Flammen durch das rund 800 Jahre alte Dach der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Nur fünfeinhalb Jahre später, am 7. Dezember 2024, wurde die Kirche nach dem Wiederaufbau feierlich eröffnet und beherrschte damit erneut weltweit die Schlagzeilen der Medien. Entsprechend gross war in derselben Woche das Interesse am IHF-Vortrag von Valéry Calvi (Calvi Etudes Structures, Avignon). Für den Wiederaufbau der Notre-Dame wurden 2000 Eichen gefällt, aus verschiedenen Regionen Frankreichs. Über die Hälfte von ihnen wurde im Dachstuhl verbaut. Calvi stellte die Rekonstruktion des Vierungsturms aus dem 19. Jahrhundert in den Fokus, der ein Jahr vor der Wiedereröffnung wieder in den Himmel über Paris ragte. Er gab auch einen Einblick in die Komplexität des Gesamtauftrags: Mit den historischen Zeichnungen des Baumeisters Eugène Viollet-le-Duc – die seinerzeit jedoch nicht eins zu eins umgesetzt wurden – und unzähligen Vorschlägen des Ingenieurbüros zur statischen Optimierung gelang es den französischen Zimmerleuten, den Turm nah am Original zu errichten. «Die Suche nach einer identischen Rekonstruktion war heikel, aber wesentlich», so Calvi. Es galt, das Verhalten des Holzes im Laufe der Zeit (Entwicklung der mechanischen Eigenschaften, Schwindung, Kriechen) durch globale Strukturberechnungen in den verschiedenen Stadien der Lebensdauer des Bauwerks zu berücksichtigen. Um die strukturelle Komplexität der 1500 Baugruppen zu erfassen, waren rund 350 Pläne nötig.

Daten & Fakten

  • 28. Internationales Holzbau Forum (IHF)
  • Congress Innsbruck
  • Veranstalter: Forum Holzbau
  • rund 2900 Teilnehmende aus 40 Nationen
  • rund 100 Referenten
  • rund 200 Ausstellerfirmen

forum-holzbau.com