08/24 Ökonomiebauten
BAUEN
Der Scheune den Hof gemacht
Dieser Hof mit der neuen Remise ist mehr als ein Landwirtschaftsbetrieb. Das Anwesen am Lützelsee bei Hombrechtikon ist das Sinnbild der Idylle. Je nach Wetter zieht der See Spaziergänger, Badegäste oder Eisläuferinnen magisch an. Und: Jede Mauer, jeder Wassertropfen und jeder Grashalm steht hier unter Schutz.
Text Sue Lüthi Bilder Andreas Graber, Markus Lamprecht Pläne Clou Architekt:innen, WDHolzbauAG
Lützelsee ist für Bauprojekte ein heisses Pflaster. Der Name ist sowohl die Bezeichnung für den See als auch für den gleichnamigen Weiler in der Gemeinde Hombrechtikon. Der ganze Weiler Lützelsee ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz erfasst. Eigentümer ist der Kanton Zürich. Zudem liegen die Gebäude in der Landschaftsschutzzone. Eidgenössische, kantonale, kommunale und private Interessen überschneiden sich in der wertvollen Moorlandschaft. Der Landwirtschaftsbetrieb südlich des Sees gehört zum Menzihaus, einem besonders wertvollen und charakteristischen Bauernhaus im Zürcher Oberland. Erbaut wurde das Schutzobjekt 1740, vor acht Jahren wurde es umfassend saniert, was mit dem Schweizer Denkmalpreis gewürdigt wurde.
Kein Museum
Doch der Betrieb, der dem Kanton gehört, ist kein Museum. Er soll langfristig entsprechend dem Standort bewirtschaftet werden. Um dies zu erreichen, wurde er optimiert, indem der Tierbestand an das verfügbare Futter angepasst wurde. Besonderes Augenmerk liegt auch auf der Pflege von Riet- und Naturschutzflächen. Die Ökonomiegebäude wurden dafür instand gesetzt und erweitert sowie eine neue Remise erstellt. Die Garage im bestehenden Stallgebäude wird nun als Hofkiosk und Verarbeitungsraum für Hofprodukte genutzt.
Für die ortsansässige wdHolzbau AG gab es viele verschiedene Arbeiten. Am auffälligsten leuchtet das frische Holz des Neubaus, den die Zimmerleute nach dem Entwurf der Clou Architekten AG planten und ausführten. Diese freistehende Remise begrenzt den Hofraum und definiert einen klaren Abschluss des Weilers nach Westen. Die bestehenden Gebäude, insbesondere die grosse Scheune mit Hocheinfahrt – ein prägendes Volumen als Zeitzeugin –, wurde durch gezielte Eingriffe den heutigen Anforderungen angepasst. Ihr gegenüber liegt das Menzihaus, in dem die Pächter wohnen.
Ein lichtes Dach
Die Remise mit den Abmessungen 26,5 Meter mal 10,8 Meter gesellt sich passend in die kleinteilige Bebauungsstruktur. Durch die Pfosten-Pfetten-Konstruktion ergibt sich ein offener Raum, den der Landwirt als Einstellhalle und zur Lagerung seiner Gerätschaften nutzt. Rund um die ebenerdige Fundamentplatte bilden blockverleimte Doppelpfosten den Abschluss. Die Ständerwände sind teilweise statisch beplankt. Als Tor dienen wandhohe Elemente in der Fassade, die von Hand zur Seite geschoben werden können. Die Aussenwände sind aus einer doppelseitig offenen Schalung aus sägeroher Fichte (22 mm × 195 mm) gefertigt, alles Holz musste aus Zürcher Wäldern beschafft werden. Eine einfache Holztreppe führt auf den fünf Meter höheren Zwischenboden. Mit einer Kranbahn unter dem First sind die schweren Geräte im ganzen Raum beweglich und gut verstaubar.
Das Highlight ist das natürliche Licht, das einerseits durch die versetzte Fassadenschalung eintritt und andererseits durch das transparente Solardach. Die Photovoltaikelemente aus Glas liegen direkt auf den Sparren, es gibt kein Unterdach und keine Dämmung. Die Platten überlappen sich leicht und sind dort auf Anregung der Zimmerleute mit einer Dichtung gegen Schlagregen versehen worden. Die Eindeckung in dieser Weise ist ein Prototyp – ein kostspieliger und zeitaufwändiger. Die Zimmerleute mussten sich gedulden, bis die Module geliefert wurden. Sie hatten die Binder aus Sparren und Zangen vorproduziert und richteten sie zur gegebenen Zeit auf. Sämtliche Verbindungen sind zu sehen, auffällig die starken Zugstangen als Windverbände. Im Gebäude ist ebenerdig eine Werkstatt eingerichtet, diese ist feuer-
technisch mit einer Ständerwand EI30 und einer Decke abgetrennt.
Scheune ertüchtigt
Der Stall Stall, in dem fröhlich die Schweine grunzen, ist um sechs Meter verlängert worden. Für das Grauvieh wurde der Warm- zum Kaltstall umfunktioniert. Rundum sind Abschrankungen angebracht. In der hohen Scheune mit einer Einfahrt direkt in den oberen Stock gab es einige Veränderungen in der Konstruktion, denn ein Kran und eine neue Bodenöffnung sind eingebaut worden. Die mittleren Pfosten mussten darum weichen und wurden durch zwei seitliche Dreiecke ersetzt.
All diese statischen Berechnungen stammen von Indermühle Bauingenieure aus Thun. Im Stall zu arbeiten unterschied sich bedeutend von den Arbeiten am Neubau, wie Holzbauunternehmer Beni Reiser sagt. Nur mit vielen Hilfsmitteln und Teamarbeit konnten die massiven Bauteile unter dem eingedeckten Dach eingepasst werden. Das Konstruktionsholz der Scheune ist in einem guten Zustand und musste nur stellenweise ersetzt werden. Ein Dachdecker kontrollierte die Eindeckung und ersetzte diese zum Teil.
Das Silo wurde zum Grauwassertank umfunktioniert, das Holz des alten Schopfs für den Werkstattboden genutzt. Sogar ein ehemaliges Gefängnis-WC wurde zur Bauernhoftoilette umfunktioniert. Mit den baulichen Anpassungen ist vor dem Hof ein einladender Vorplatz entstanden. Das Gesicht in der riesigen Stirnfassade der Scheune bildet der Hofladen. Er lädt Passantinnen und Passanten zur Pause ein.
Ökonomiegebäude Menzihaus
Projekt: Erweiterung und Instandsetzung Bauernhof, Weiler Lützelsee, Hombrechtikon (ZH)
Baujahr: 1740
Fertigstellung Erweiterung/Sanierung: 2023
Bauherrschaft: Kanton Zürich
Architektur: Clou Architekten AG, Zürich
Holzbauingenieur: Indermühle Bauingenieure, Thun (BE)
Holzbauunternehmen: wdHolzbau AG, Hombrechtikon
Photovoltaik (Planung und Ausführung): Schubiger Energie-Dämmtechnik, Uznach (ZH); Popp Metallbau AG, Rüti (ZH)
Gebäudevolumen: ca.?1800?m3
Bruttogeschossfläche: 455?m2
Verwendetes Holz (Art und Menge): Fichte aus Zürcher Wäldern, 60?m3
Baukosten Holzbau (Neubau und Umbau): CHF 580?000.–
WD Holzbau AG, Hombrechtikon
Seit 1987 steht der Name wd Holzbau für Arbeiten im Holz- und Innenausbau. Gründer ist der Schlosser und Zimmermann Werner Dändliker (l.). Der 62-Jährige zieht sich langsam aus dem Geschäftsleben zurück und hat die wd Holzbau AG Anfang 2023 seinem langjährigen Mitarbeiter Beni Reiser (r.) übergeben. Der 43-Jährige ist gelernter Zimmermann mit Weiterbildung zum Holzbau-Techniker. Mit 12 bis 15 Mitarbeitenden werden sämtliche Arbeiten rund um den Holzbau abgedeckt. Aktuell bildet das Team vier Lernende zum Zimmermann aus.
wdholzbau.ch